Drei Schritte gradeaus, dann trete ich in die Schule. Ich will nicht hier sein, ich habe Angst, jeden Tag. Doch ich habe gelernt, wichtiger als mein Gefühl ist die Fassade, die ich aufrecht erhalte. Wenn ich jeden Tag gehe, jeden Tag wieder komme, sind alle zufrieden. Glauben, alles ist in Ordnung. Was dazwischen geschieht, scheint nicht so wichtig zu sein. Ob ich Angst habe, ob jeder Tag eine Qual ist, ob ich mit Freitags schon wieder vor Montag fürchte – egal. Hauptsache ich gehe, Hauptsache es sieht normal aus.
Drei Schritte mehr und ich bin an der Treppe. Wie es ist es so weit gekommen? Letztes Jahr war ich noch glücklich, mit Freunden, Freundin, Schule. Jetzt ist alles anders. Jetzt ist jeder Tag grau, überlegt von einem Schleier der Angst, der sich bis in mein Innerstes zieht. Was ist nicht in Ordnung mit mir? So lange schien ich in Ordnung zu sein, was finden jetzt alle plötzlich abstoßend? Die Verzweiflung kriecht in mich. Ich fühle mich so, wie sie mich sehen.
Die Treppe ist zu Ende. Ich muss nach rechts gehen, den Gang entlang zum Klassenraum. Ich schaue kurz hoch, sehe ihn, er hat mich noch nicht gesehen. Alles begann zusammen zu brechen, plötzlich. Annett ist weg gezogen. Dann mussten wir die Schule wechseln und ich war nicht gut genug fürs Gymnasium. Aber auf der neuen Schule sind nur Leute, die anders sind als ich. Niemand ließt, alle reden übers Trinken und über Hitler. Warum bin ich hier, ich weiß nicht, was passiert ist. Warum hilft mir keiner.
Ich versuche selbstbewusst zu gehen, vielleicht lässt er mich in Ruhe. Ich drücke mich vorsichtig in den Klassenraum „ahh…schau mal wer da ist“ ich hasse seine angezogene Stimme, seinen hässlichen Dialekt, seine Haare und trotzdem denke ich, ich bin es, die etwas falsch macht, mit der etwas nicht stimmt. Könnte ich es nur ändern, das Äußere, das Innere, das was mit mir falsch ist. Könnte ich nur dazu gehören. Würde ich mich nur nicht mehr verstecken müssen. Alles nach innen wenden, nichts nach außen. Ich wäre glücklicher.